Rückblick auf unsere Veranstaltung: Facing the future together – mehr als 50 Jahre politischer Jugendaustausch
Der politische Jugendaustausch war Thema eines Barcamps des WBC anlässlich des 50. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Der 74-Jährige Walter Haas war gekommen, um von den Anfängen der Jugendbegegnungen zu erzählen, die lange vor dem Botschafteraustausch lagen.
In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahren habe in der Bildungsarbeit der Solinger Gewerkschaftsjugend die Geschichte der Arbeiterbewegung und der Einfluss von jüdischen Kollegen eine große Rolle gespielt, erinnerte sich Walter Haas. Die sozialistischen Kibbuzim und die von Fritz Naphtali entwickelte Gemeinwirtschaft, die in Israel mit seinem mächtigen Gewerkschaftsverband Histadrut in die Praxis umgesetzt wurden, hätten ihn fasziniert. „Uns schien vieles utopisch zu sein“, schilderte der aus dem Bergischen Land kommende Gewerkschafter den Ende Wunsch, nach Israel zu reisen. Doch man habe noch bis 1961 warten müssen, bis die Reise angetreten werden konnte. Es sei sehr schwierig gewesen, Visa zu bekommen. „Es gab keine direkte Verbindungen nach Israel“, erzählte Walter Haas. „Aber der Bundesstudentenring hatte die Möglichkeit, dass man mit einem Sonderzug von Köln nach Athen fahren konnten, zweieinhalb Tage.“ Weiter sei man mit einer alten DC 3 geflogen, in der es noch nicht einmal richtige Sitze gegeben habe.
In Tel Aviv hat sich die Gruppe der DBG-Jugend als erstes an die Histradrut gewandt, zu dem der DGB damals aber noch keine offiziellen Beziehungen hatte. „Wir mussten feststellen, an uns war man nicht interessiert. Innerhalb von Israel war 1961 eine ganz besondere Situation, der Eichmann-Prozess hat begonnen. Es gab in der Bevölkerung eine Mehrheit, die kein Interesse hatte, mit irgendetwas Deutschem in Kontakt zu treten.“ Letztlich habe die Gruppe um Walter Haas zwei Hauptamtliche der gewerkschaftsnahen Jugendorganisation Noar Oved gefunden, die bereit waren, mit dieser ersten Delegation der DBG-Jugend in Kontakt zu treten. „Diese beiden sind dafür sehr kritisiert worden.“
Bereits 1962 fand der erste Gegenbesuch statt, und zwar als privater Besuch. „Die Histadrut hat die Reise einer offiziellen Delegation verboten.“ Gemeinsam sei man von Solingen aus nach Berlin gefahren, wo soeben die Mauer errichten worden war, rief sich Walter Haas ins Gedächtnis. „Der Kern war gelegt für eine gegenseitige Begegnung, einen gegenseitigen Austausch“, sagte Haas, der später Bundessekretär der DGB-Jugend und DGB-Landesvorsitzender in NRW war.
In den anderen Gesprächskreisen des Barcamps, das mit Förderung des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts veranstaltet wurde, ging es um jüngere Aspekte des politischen Jugendaustauschs. Eine Gruppe sprach über die Geschichte der Beziehungen zwischen den „Blauhemdorganisationen“ SJD – Die Falken, Noar Oved und Haschomer Hazair. In einer anderen Runde ging es um die wechselhafte Positionen der Jusos als linkem Richtungsverband zum Nahostkonflikt bis hin zur Gründung des WBC in 1996. Ein dritter Kreis diskutierte unter dem Motto „Facing the future together“ über die Zukunft des Austauschs zwischen deutschen, israelischen und palästinensischen Jugendlichen.
Fotos: Tobias Pietsch