WBC Frauensdelegation – Bericht

Anläßlich der internationalen Frauentags veröffentlichen wir exemplarisch für unsere Arbeit an der Bildung eines Women Networks in Jerusalem einen Bericht unserer Projektleiterin Judith Höffkes über ihre Erfahrungen auf unserer aktuellen Frauendelegation.

„Beschreibt ein typisches Frauenleben in Eurer Gesellschaft. Gebt ihr einen Namen. Wie behütet wächst sie als Kind auf? Was wird in ihre Schulbildung investiert? Wird sie studieren, vielleicht sogar im Ausland? Wie gestaltet sich ihr Privatleben, wäre Scheidung im Ernstfall eine Möglichkeit?“

Diese Fragestellung war Inhalt eines Workshops, den wir am Ende unserer diesjährigen Frauendelegation organisiert haben. Auf Einladung der Jusos sind wir zum Weltfrauentag von Amman und Tel Aviv aus nach Berlin geflogen, um Frauen aus Israel, Palästina und Deutschland zu vernetzen, um uns gegenseitig kennenzulernen und auszutauschen und die Frage zu stellen: Was können wir für einander tun, als Frauen, im Jahr 2019 in einer Region, in der die Räume für Dialog und Austausch spürbar schrumpfen.

Unsere palästinensischen Partnerinnen haben in jenem Workshop das Leben der fiktiven Marjam beschrieben. Die Einschränkungen und Abhängigkeiten von männlichen Stukturen im Leben dieser palästinensischen Frau rüttelte uns alle wach, auch, weil diese Einschränkungen so krass im Widerspruch standen zu den selbstbewussten und gut ausgebildeten Frauen, die wir während der Delegation kennenlernen durften. Für wenige Stunden waren die Besatzung, das israelische Nationalstaatsgesetz, die Checkpoints, der Militärdienst verschwunden aus unserer Runde und wir waren einfach eine internationale Gruppe von jungen Frauen, die endlich ein gleichberechtigtes Leben führen wollen und damit auf keinen Fall mehr warten können.

Hier eine andere Frage, die ganz nüchtern und fast ein wenig schüchtern gestellt wurde, als die Teilnehmerinnen sich und ihre politischen Ideale vorstellen sollten und bei den israelischen Frauen mehrmals der Begriff Zionismus fiel: „Könnt ihr mir sagen, was Zionismus für euch bedeutet? Als Palästinenserin verbinde ich damit Gefahr und Vertreibung und Rassismus. Aber das könnt ihr ja nicht meinen, also sagt mir, was ist dieser Zionismus?“ Es entspann sich ein ausführliches Gespräch über Familiengeschichte, Sehnsucht nach Heimat und Sicherheit auf beiden Seiten und die Erkenntnis, dass selbst unter unseren linken israelischen Partnerinnen eine eindeutige Definition schwer zu finden ist. Ich als Moderatorin konnte gebannt zuhören und mir innerlich notieren, dass wir im WBC aus dieser Fragestellung einen Workshop für kommende Delegationen basten sollten.

Als Projektkoordinatorin im WBC habe ich in den vergangenen 3 Jahren zahlreiche Delegationen organisiert und geleitet, ich habe gelernt den Widerspruch auszuhalten, das die politische Situation in der Region angespannter und hoffnungsloser wird und gleichzeitig unsere AktivistInnen neugierig und offen und kompetent sind und es nicht abwarten können, mit der anderen Seite die Komplexität der Lage zu diskutieren. Ich habe angefangen, ehrlich stolz auf unser Projekt und unsere Partner zu sein und mich daran gewöhnt, dass Öffentlicheitsarbeit unseren Partnern und unseren Projekten nur zu schnell schaden kann. Die vergangenen 3 Jahre im WBC haben mich erfahren und pragmatisch werden lassen. Die Delegation unseres Frauennetzwerks hat es trotzdem geschafft, mich neu für unsere Arbeit zu begeistern und zu motivieren und sie hat mich daran erinnert, dass die besondere Kraft des WBCs in unseren gemeinsamen politischen Idealen liegt. So lange eine Woche Austausch und politisches Programm zu der Aussage „Ich sehe deine Lebensrealität und meinen Anteil daran. Bitte lass und Partner sein und schauen, was wir tun können“ führen, so lange gibt es hier noch Hoffnung.

 

 

Interview mit unserem Weltwärts Freiwilligen Paul Stier

Ende August beginnt Paul Stier aus Bad Schönborn in Baden-Württemberg seinen weltwärts-Freiwilligendienst im Willy Brandt Center Jerusalem. Ein Jahr lang wird der 18-jährige das Team des WBC unterstützen und die Arbeit in Jerusalem mitgestalten. Im Interview stellen wir unser neues Teammitglied vor.

Paul, in wenigen Tagen geht es los nach Jerusalem. Aufgeregt?

Klar. Es ist eben doch etwas ganz anderes als die Schulzeit, die ich vor kurzem beendet habe. Zum Glück. Ich bin gespannt, was da auf mich zukommt. Erfüllen sich meine Erwartungen und kann ich die Erwartungen erfüllen, die an mich gestellt werden? Jedenfalls freue ich mich riesig auf mein Leben in Jerusalem und die Arbeit im WBC.

Was hat dich motiviert, dich für das WBC zu bewerben? Was fasziniert dich an diesem Projekt?

Als ich mit 14 Jahren bei den Jusos aktiv geworden bin, habe ich durch Zufall über die Facebookseite der Jusos eine Stellenausschreibung für einen Freiwilligendienst im WBC entdeckt. Seitdem wusste ich – da will ich hin. Denn auch wenn der Nahost-Konflikt oftmals so festgefahren scheint – das WBC leistet einen wichtigen Beitrag, dass das nicht so bleibt. Junge Menschen aus Israel und Palästina auf Augenhöhe zusammenzubringen, halte ich für eine der wirksamsten Methoden, eine Annäherung herbeizuführen. Außerdem werden im WBC auch Themen wie etwa die soziale Gerechtigkeit oder die Gleichstellung aller Geschlechter beleuchtet, die oft zu wenig Aufmerksamkeit erfahren und dennoch von zentraler Bedeutung für die Menschen sind.

Du bist seit 2012 bei den Jusos aktiv und hast dort auch schon eine Diskussionsveranstaltung mit palästinensischen und mit israelischen jungen Menschen organisiert. Wie kam es dazu?

Als Juso-AG versuchen wir regelmäßige Diskussionsrunden zu veranstalten, bei denen wir aktuelle Themen aufgreifen und ReferentInnen oder persönlich Betroffene einladen. Im Sommer 2014 hat der letzte Gaza-Krieg ja auch in Deutschland eine hochpolarisierte Debatte ausgelöst. Plötzlich solidarisierten sich Millionen von Menschen auf Demonstrationen aber vor allem in den sozialen Netzwerken mit der einen oder der anderen Seite. Auch innerhalb unserer Juso-AG wurde diese Debatte geführt. Deshalb fand ich es naheliegend, die damals jüngste Eskalation des Nah-Ost-Konflikts auch in einer unserer Diskussionsrunden zu behandeln.
Letztendlich kamen als persönlich Betroffene nur Klassenkameraden eines unserer Mitglieder, die Angehörige im Gaza-Streifen hatten. Um dennoch für eine Ausgewogenheit zu sorgen und eine eventuelle Eskalation bei diesem hochemotionalen Thema zu verhindern, habe ich mir als damals 15-Jähriger die Hilfe von älteren Jusos und unserer damaligen Regio-Betreuerin geholt. So hatten wir die Situation dann gut im Griff und konnten auf einer sachlichen Ebene diskutieren. Hier habe ich gelernt, dass es sinnvoll ist, sich einzugestehen, wenn man Unterstützung braucht. Zum anderen habe ich während der Diskussion mit den Angehörigen von Betroffenen umso deutlicher gespürt, wie wichtig eine friedliche Lösung des Konflikts ist.

Was hast du sonst noch bei den Jusos gemacht?

Ich hatte das Glück, Teil der vergleichsweise großen und aktiven Juso-AG in Bad Schönborn in Baden-Württemberg zu sein. Wir sind ca. 15 bis 20 aktive JungsozialistInnen in einem ländlichen, konservativ geprägten Gemeindeverbund mit ca. 12000 EinwohnerInnen. Meine Arbeitsgemeinschaft stellt einen von 22 Gemeinderäten und hat mehr aktive Mitglieder als der SPD-Ortsverein. Das bedeutet, dass wir hauptsächlich ein kommunalpolitischer Akteur sind und Themen wie die Schaffung von öffentlichen WLAN-Hotspots, sozialer Wohnungsbau oder die Integration von Geflüchteten auf unserer Agenda stehen.

Ich war zwei Jahre lang Pressesprecher unserer Arbeitsgemeinschaft. Das bedeutet ich habe über unsere Veranstaltungen und Positionen in der Presse berichtet, habe unsere Facebookseite und Website betreut und wirkte an der Konzeption und Durchführung unserer politischen Kampagnen, der Neumitglieder-Kampagnen und der Wahlkämpfe mit. Deshalb freut es mich natürlich, dass die Betreuung der Facebookseite und der Website des WBCs unter anderem zu meine Aufgaben als Freiwilliger gehören wird.

In unserer Bildungskooperation haben wir mit HaShomer HaTzair (Junge Wächter) und der HaNoar HaOved VeHaLomed (Arbeitende und Lernende Jugend) zwei Partner, die ähnlich wie Pfadfinder, bei denen du aktiv bist, viele Sommerlager und Gruppenwanderungen veranstalten. Lässt das dein Pfadfinderherz höherschlagen?

Die Wanderstiefel sind schon im Koffer. Als Leiter einer Pfadfindergruppe in Deutschland freue ich mich natürlich, die sozialistischen Jugendbewegungen kennenzulernen, die auch Pfadfindermethoden anwenden. Ich hoffe, ich kann von dort etwas in meinen eigenen Verband hineintragen.
Obwohl es sicherlich Unterschiede zwischen meiner katholischen Organisation, der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg, und den sozialistischen und zionistischen Organisationen gibt, teilen wir dieselben Grundwerte: Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Toleranz spielen eine große Rolle im Werteverständnis eineR PfadfinderIn und eineR SozialistIn.

Worauf freust du dich im kommenden Jahr am meisten?

Gerade freue ich mich einfach nur darauf, dass es jetzt endlich losgeht.

Interview geführt von Tobias Pietsch

Foto: Marcel Yilmaz

Two Narratives-One Future: Jahreskonferenz 2015

Rückblick auf unsere Jahreskonferenz 2015 „Two Narratives – One Future“

 

Es waren schwierige Zeiten, als sich dieses Jahr in Jerusalem AktivistInnen und offizielle VertreterInnen aus Israel, Palästina, Deutschland und der ganzen Welt zur Jahreskonferenz des Willy Brandt Centers versammelt haben. Der Titel „Zwei Narrative – Eine Zukunft“ war dabei wichtiger als je zuvor im Jahr 2015. Der Ausbruch der Gewalt und die Terroranschläge in Israel und Palästina wurden in beiden Gesellschaften auf sehr unterschiedliche Weise wahrgenommen. Dies musste natürlich in der Agenda der Konferenz berücksichtigt werden.
Das trilaterale Organisationsteam hat viel Mühe darauf verwandt, die geplanten Workshops und Diskussionen an die aktuelle Situation anzupassen. Nach der informellen Zusammenkunft am Freitagabend im Willy Brandt Center in Jerusalem, begann der Samstag mit einer Expertenmeinung zu den Entwicklungen auf dem Tempelberg/Haram as Sharif. Danach reflektierten die Teilnehmenden, wie unterschiedlich die jüngsten Ereignisse in den israelischen und palästinensischen Medien dargestellt wurden und diskutierten Gründe dafür. Zum Ende der Konferenz wurden Workshops angeboten, die soziale Bewegungen weltweit porträtierten mit der Fragestellung, was Menschen in Israel und Palästina von diesen Bewegungen lernen können für ihren eigenen Aktivismus.

Alle Fotos von Yam Vignola



23-24.10.2015
Jahreskonferenz
Two Narratives – One Future

23-24.10.2015

In order to cope with the upcoming societal challenges and to lay the foundation for sustainable peace, we need to produce and share innovative knowledge linking creative thinking and politics.
The team of WBC presents its current activities and invites you to take part in workshops and discussions on labor rights, natural resources, education and other current topics.

Um die bevorstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen zu können und die Grundlage für einen dauerhaften Frieden zu legen, brauchen wir neue Ideen. Wir müssen innovatives Wissen, kreatives Denken und Politik miteinander verbinden.
Das WBC präsentiert seine aktuellen Aktivitäten und lädt euch zur Teilnahme an Workshops und Diskussionen über aktuelle Themen ein.

23.10.15 Willy Brandt Center Jerusalem

Reception (open from 4 pm) and Concert (8pm)
Empfang (ab 16:00) und Konzert (20:00)
Ein Rogel St. 22, Jerusalem (Abu Tor)

24.10.15 Tantur Ecumenical Institute

Opening und workshops throughout the day (open doors 9:00, Start 10:00)
Offizielle Zeremonie und Workshops (ab 9.00 Registrierung, 10:00 Beginn)
HaRosmarin St., Jerusalem (Beit Safafa)

Anmeldung/Registration