Privat: Bericht zur aktuellen Situation – Judith Höffkes

Die Ankündigung Donald Trumps, die US-amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen hat die Paradigmen unserer Arbeit grundlegend verändert. Im Herbst vergangenen Jahres hätte ich vor allem über die schwierigen politischen Kämpfe unserer Partnerorganisationen berichtet, ich hätte von den Korruptionsfällen der israelischen Regierung gesprochen oder über die Verfestigung des Status Quo im Siedlungsbau. Ich hätte mich besorgt gezeigt über den zunehmenden Einfluss der Antinormalisierungsbewegung  innerhalb der palästinensischen Gesellschaft und den schwindenden Einfluss der jungen Generation innerhalb unserer palästinensischen Partnerorganisation beklagt.

Aber ich hätte ebenso auf die erfolgreichen israelisch-palästinensisch-deutschen Delegationen verwiesen, die auf Einladung der Juso Landesverbände in Deutschland stattfinden konnten. Ich hätte nicht ohne Stolz von lebhaften politischen Debatten über die Frage der palästinensischen Geflüchteten berichtet oder über unsere Workshops, die sich offen und ehrlich mit der oft schmerzhaften Lebenssituation in beiden Gesellschaften auseinandersetzten.

Meine Hoffnung war groß, dass der demokratische Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für den unsere Partner*innen stehen, erfolgreich sein kann.

Seit der Ankündigung Donald Trumps befinden wir uns politisch in einer neuen Situation. Im Moment finde ich Ratlosigkeit vor, bei unseren Partner*innen, aber auch bei mir ganz persönlich. Vor allem die Menschen in der palästinensischen Gesellschaft fühlen sich betrogen, sind enttäuscht und frustriert. Unsere Partner*innen, die sich viele Jahre ihres Lebens gewaltfrei für eine Zweistaatenlösung eingesetzt haben, können ihre Vision von zwei Staaten mit Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt nicht mehr glaubhaft vermitteln.

Auch unter unseren israelischen Partner*innen, für die eine Zweistaatenlösung der Schlüssel für eine friedliche Koexistenz war, herrscht Ratlosigkeit. Es ist ein Vakuum entstanden, das mit neuen Perspektiven gefüllt werden muss. Nur, wer kann angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Realität glaubhafte Ideen für eine bessere Zukunft anbieten?

Das WBC Jerusalem hat bereits mehrere Krisen erlebt und wurde gerade in scheinbar aussichtslosen Situation ein wichtiger Ort der Begegnung. Unser Team hat auch keine Antworten auf die großen Fragen, daher widmen wir uns in unserer Arbeit den konkreten politischen Fragestellungen, in denen noch Einigung bestehen kann. Ich persönlich erlebe immer wieder, wie herausfordernd es ist zwischen den vielen unterschiedlichen persönlichen und gesellschaftlichen Narrativen zu moderieren.  Dabei versuche ich, mich in diesem Konflikt auf den Bereich des Möglichen zu konzentrieren und hierbei die kleinen Erfolge zu sehen.

Wie also gehen wir in unserem trilateralen Team mit den neuen Herausforderungen um? In einer Mischung aus Pragmatismus und politischer Überzeugung wollen wir uns in diesem Jahr mit konkreten politischen Fragen auseinanderzusetzen, die in all unseren Gesellschaften auf Lösungen warten. Im Frühling werden wir ein großes Frauencamp in der Region für Aktivistinnen aus Israel, Palästina und Deutschland veranstalten. Dabei wollen wir unsere verschiedenen Kämpfe und Ansätze diskutieren, um uns gegenseitig zu stärken und zu inspirieren.  Im Sommer wollen wir Raum für möglichst viele unserer Aktivist*innen in Deutschland schaffen, um während eines Sommercamps sozialistische und sozialdemokratische Antworten auf wirtschafts- und bildungspolitische Herausforderungen zu entwerfen.

Mögliche Lösungen für den israelisch-palästinensischen Konflikt stellen wir auf unseren „Dual Narrative Touren“ durch Jerusalem vor.  Wir hören beiden Seiten gleichberechtigt zu und kommen ins Gespräch über das Leben in unserer so komplizierten Stadt.

Wir wollen für unsere Partner*innen hier sein, denn dieses Land zwischen Galiläa und der Negevwüste, zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan ist ihr Zuhause. Deshalb werden wir nicht aufhören, weiterhin gemeinsam nach Lösungen für eine friedliche und gerechte Zukunft zu suchen.